Anfang Juni '99
begann die Tournee im Festsaal der Miro Foundation in Barcelona, weiter ging es
nach Italien wohin Roman Bunka den Quanunspieler Gamal Lotfi aus
Kairo mitgebracht hatte, um die Musikkarawane damit zu bereichern und nicht zu
verpassen. Überall: großer Applaus für die einzigartige
Kombination, ob in Rom auf dem renommierten Ethnofestival in der Villa Ada, in
Venedig, Bologna, Varese, Ferrara - hoffentlich gibt es davon mal eine Ton- oder
Videoaufzeichnung. Der Auftritt im überfüllten Konzertzelt des
Feierwerkfestivals in München wurde glücklicherweise mit drei
Digi-Kameras festgehalten und da wird tatsächlich bald etwas zu sehen und
zu hören sein. "To be continued" war die einhellige Meinung
aller, als Mahmoud Gania mit seinen fantastischen Mitmusikern in die USA
weiterreisen mußte. Ein paar Wochen später
war die Kernbesetzung von Embryo (Christian Burchard, Jens Pollheide, Lothar
Stahl, Dieter Serfas und Karsten Hochapfel) wieder in Barcelona, wo sie von
dem russischen Meistertrompeter Jurji Parfenov erwartet wurden. Die
Miro-Foundation hatte ihn extra aus Moskau einfliegen lassen, denn er stand auf
der Embryo Wunschliste ganz oben. Das groß angekündigte Konzert fand
auf der weltberühmten, von Joan Miro gegründeten
Ausstellungsanlage über den Dächern von Barcelona, in einer eigens dafür
eingerichteten Open Air-Bühne statt, um den großen Publikumsandrang
zu bewältigen. Die größte spanische Zeitung "El Pais"
lobte diesen groß angekündigten Embryoauftritt, der selbst in den
TV-Nachrichten Beachtung fand, als "ein großes Ereignis mit magischer
Wirkung" und als "einen leidenschaftlichen Trip mit magischer Wirkung".
Bei einigen Stücken waren noch der katalanische Perkussionstar Marti
Perramon und der Bassist und Bandleader der Gruppe ContempArabic
Stephan Athanas spontan mit eingestiegen. Es kommt auf jeden Fall eine
CD Live At The Miro Foundation, auch um sich vor der Großzügigkeit
dieser Kultureinrichtung zu verbeugen. Ein paar Tage später gab es im
Szeneklub Heliogabal noch einige aufregende Sessions. Nach fünf Jahren ( er
hatte damals auf der legendären 25-Jahresfeier bei dem Tollwood Festival
mitgewirkt), war der japanische Shakuhatchi und Flötenvirtuose Hiroshi
Kobayashi wieder mit dabei. Embryos Zusammenspiel mit dem russischen oder
auch zentralasiatischen ( denn so sieht er selbst sich mehr) Trompetenmeister
war inzwischen kreativ gewachsen. Besonders die Bearbeitung seiner kirgisischen
und tartarischen Musiktraditionen begeisterten Kollegen, Kritiker und Publikum.
Das Embryo Quintett reifte dadurch zu einer festen Einheit. Selbst als Jurji
Parfenov wieder abgereist war, waren die folgenden Konzerttourneen bis nach
Palermo, wo sie mit der höchst talentierten sizilianischen Ethnojazzgruppe
NNI` Lusinghi zusammenspielten, von großem Erfolg.
Absoluter Höhepunkt waren die Auftritte mit
Mal Waldron, der von der Jazzkritik als Gigant des Modern Jazz angesehen
wird. Nicht umsonst ziert sein Portrait immer mehr die Titelseiten vieler
Jazzmagazine. Er hat bis heute über 600 Platten aufgenommen (die erste
1949), und die Liste seiner Mitmusiker liest sich wie das Who is Who des
Jazz: Dizzy Gillespie, Charles Mingus, John Coltrane, Max Roach, Lester
Young, Coleman Hawkins, Eric Dolphy - ganze Seiten könnten damit gefüllt
werden. Seinen künstlerischen Durchbruch hatte er als Billie Holiday,
die größte Jazzsängerin aller Zeiten, ihn als Pianisten
engagierte. Die Liste seiner musikalischen Aktivitäten ist endlos, seine
genialen Kompositionen stehen in jedem besseren Songbook. Selbst Stars der
zeitgenössischen Szene wie M-Base-Saxofonist Steve Coleman spielen
auf seinen neuesten CD-Veröffentlichungen. Christian Burchard hatte
Mal Waldron schon Jahre vor der Embryo Gründung getroffen. Veröffentlicht
wird bald eine Aufnahme von 67, bei der Dieter Serfas das Schlagzeug
spielt, beide feiern bereits das vierte Jahrzehnt ihrer Freundschaft. Zunächst
gab es am 3.12. ein Duokonzert in der ehrwürdigen Münchener
Seidlvilla, um auf die Wiederveröffentlichung des vielbewunderten Albums
Into The Light (Materiali Sonori/Schneeball/Indigo CD 9233-2)
hinzuweisen, mit einer anschließenden Workshopnightsession, wo ausschließlich
Stücke aus der Feder von Mal Waldron erklangen. Am Tag darauf dann
die Embryo Big Band mit den besten modernen Bläsern der Szene: aus den USA
Alan Praskin, Monty Waters und Chuck Henderson, aus Rußland
Alexandr Alexandrov und Lena Bloch, aus China Xizhi Nie,
aus Japan Masaro Nishimoto und aus München Norbert Stammberger
und Götz Liekfeld. Es gab drei Kontrabassisten: Chris Lachotta,
Nick MacCarthy und den Russen Vladimir Volkov. Karsten Hochapfel
konzentrierte sich auf sein Cellospiel, Titus Waldenfels bewegte die
Gitarrensaiten und Dieter Serfas wurde von Max Weissenfeldt in
der Perkussionsektion unterstützt. Christian Burchard leitete das
Geschehen vom Vibrafon aus, von einer Schlagzeugeinlage ausgenommen, und Mal
Waldron bestimmte mit einzigartig dunklen Flügelakkorden die
musikalische Architektur des Abends.
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