Griots, Geschäfte und Geschichten
MALI IN MOTION
Einblicke von Jay Rutledge
Fotos (c) Jay Rutledge

Bamako die Hauptstadt Malis ist ein Moloch. Hitze, Staub, Lärm und über allem hängt eine dicke Abgasglocke, die einem den Atem verschlägt. Die Kanalisation liegt in großen Teilen der Stadt offen und modert bei über 40 Grad im Schatten vor sich hin - dazwischen spielende Kinder. Die Straßen quellen über vor Mofas, fliegenden Händlern, den zerbeulten gelben Taxis und den gefährlichen grünen Minibusen 'Car Rapides' genannt - gefährlich weil die Fahrer nach Zeit bezahlt werden. Zwischendurch kreuzen von Esel gezogene Karren die Strasse. An jeder Ampel strecken die blinden Bettler ihre Arme ins Fenster der Autos und bitten um ein Cadeaux, ein kleines Geschenk. Aggressivität ist selten: das Land wird von einer islamischen Schicksalsergebenheit regiert. Alles ist in Allahs Händen nur er allein weiß was passieren wird.
Touristen sieht man in Bamako kaum – ausser ein paar Franzosen, die hier Urlaub machen. An ihre Kolonialherrschaft erinnern nur noch ein paar heruntergekommene Gebäude und Hotels im Zentrum der Stadt. Aber Touristen bleiben in Bamako sowieso nur so lang bis sie sich ihre Tour ins Landesinnere nach Nordosten organisiert haben: nach Mopti, dem sagenumwobenen Timbuktu oder zum Trekking ins Dogonland.

Gute 10 Millionen Einwohner hat das Land, dass zu einem der 5 ärmsten der Welt zählt, auf einer Fläche zweimal die Größe von Deutschland. Im Norden begrenzt durch Mauretanien, Algerien und die ewige Weite der Sahara, wird Mali im Süden von Burkina Faso, der Elfenbeinküste und Guinea umschlossen. Bamako, die Hauptstadt Malis liegt im Südwesten des Landes zu erreichen per Flugzeug über Paris oder Brüssel in 6 Stunden oder von Dakar im Westen aus mit dem Zug, der braucht allerdings gute 2 Tage für die 1200 km – dafür fährt er teilweise so langsam, dass man absteigen und sich etwas zu Essen holen kann. Aber das stört kaum jemand, die meisten sind eh unterwegs, um zu handeln: mit Ziegen, getrockneten Fischen, Reis, Baobabfrüchten und allen möglichen anderen zu riesigen Bündeln verschnürten Waren teilt man sich das Abteil...
Republik Mali, République du Mali
Lage Nordafrikanisches Binnenland; gemeinsame Grenzen mit Mauretanien, Algerien, Niger, Burkina Faso, Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste), Guinea, Senegal
Größe 1.240.000 km²
Bevölkerung ca. 9,8 Millionen (Volkszählung April 1998); Bevölkerungswachstum: 2,2 % p.a.; wichtigste Ethnien: Bambara, Malinke, Peul (Fulbe), Sonrhai, Sarakollé, Tuareg, Bobo, Dogon, Senoufo, Bozo
Landessprache Amtssprache: Französisch; Nationalsprachen: Bambara (61 %), Fulfulde (Fulbe), Sonrhai, Sarakollé, Tamaschek, Dogon, Senufo, Bobo
Religionen Islam (75 %), Christentum (ca. 1 %), Animisten (große Mehrheit)
Quelle: Auswärtges Amt
Die meisten Besucher Bamakos ahnen nicht, das die unscheinbare staubige Stadt am Niger das Zentrum der wahrscheinlich derzeit spannendsten und vielfältigsten Musikszene Westafrikas ist.

Wochenende für Wochenende kann man die Jelimusolu wie sie in Mali genannt werden in ihren bunten Gewändern an jeder Straßenecke ihre traditionellen Preislieder singen hören. Und auch aus den kleinen batteriebetriebenen Radios, die in Mali jeder mit sich herumträgt, dröhnt nicht Hip-Hop sondern Griot-Popmusik entgegen, denn Mali ist vorallem eines, die Heimat der Griots. Die Griots sind die traditionelle Musikerkaste Westafrikas. Der Koraspieler  Mamadou Diabate Bis ins 13. Jahrhundert lassen sich ihre Lieder zurückverfolgen, als der große Held Malis Soundjata Keita die unterschiedlichen regionalen Stämme Westafrikas zum Mande Königreich vereinigte. Gemeinsam mit diesem Reich verbreiteten sich die Griots und ihr Musik von Mali aus über große Teile Westafrika. Anders als in vielen anderen Ländern Westafrikas singen in Mali die Frauen. Die traditionellen Begleitinstrumente, die 21 seitige Kora, die N'goni, eine Art kleine Gitarre, die als Vorläufer des Banjos gilt und das Balafon werden von den Männern gespielt. Vom 13 Jhr. an bis heute begleiten die Griots jedes gesellschaftliche Ereignis: Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen, große Feierlichkeiten. Wochenende für Wochenende dröhnen ihre Preislieder von Mittag bis spät in die Nacht aus den Innenhöfen der Gehöfte.

Kandia Kouyaté auf einer Hochzeit in Bamako
Niemand geringeres als Kandia Kouyaté, neben Amy Koita die zweite große Jelimusolu Malis war hier auf einer Hochzeit zu hören. Genau wie alle bekannten Griots fährt sie zweigleisig. Sie ist Popstar und hat ihre traditionellen Verpflichtungen als Griot, d.h. sie muss als Mitglied der Musikerkaste der Kouyatés für ihre noble Familie singen und deren Familien-Geschichte am Leben erhalten: Aber die traditionelle Beziehung zwischen Griot und den Noblen hat sich geändert.

In Europa als Hüter der Tradition gefeiert, ist der Ruf der Griots in Mali umstritten: längst singen sie nicht mehr nur für ihre noble Familie – sondern für jeden der ihnen Geld gibt.

Kandia Kouyate erzählt:
Es stimmt nicht, dass alle Griots nur hinter dem Geld her sind, aber die Welt hat sich verändert, es gibt Griots die so sind ja – aber nicht alle. Heutzutage muss ein jeder arbeiten. Wir Griots machen Kassetten und verkaufen sie um zu Essen. Auf diesen Kassetten singen wir dann über die Patrons die Gutes für uns getan haben."
Der Salon in Kandia Kouyatés Haus gleicht einer Art afrikanischem Neuschwanstein: barocke, vergoldete Stühle, kitschige Glasvasen mit edlen Plastikrosen und an den Wänden goldgerahmte Spiegel. Das Haus mit samt der Einrichtung hat ihr einer ihrer neuen Jatiguis - Gönner gebaut: Babani Sissoko. Er schenkte ihr Autos, große Summen Geld, einmal sogar ein Privatflugzeug. Die Geschichte Babani Sissokos ist einer dieser unglaublichen modernen afrikanischen Mythen. In Dubai lernte Babani einen reichen Geschäftsmann kennen der Milliarden mit Öl verdient hatte.Kita Kan - Kandia KouyateMit einer Unsumme an Geld kam er zurück nach Mali, kaufte sich erst mal mehrere Jumbojets(!), schmiss Partys, bei denen er schon mal jemand ein Kilo Gold geschenkt haben soll. Irgendwann entpuppte sich der Geschäftsdeal mit Dubai als Betrug, Babani wurde von Interpol gesucht, die Flugzeuge beschlagnahmt. Heute lebt er arm als Bürgermeister in seinem Heimatdorf, nur noch ein riesiger nie fertiggestellter Hotelrohbau am Ufer des Niger erinnert an ihn.

Ein anderer Patron Kandias war ebenfalls ein Geschäftsmann: Amary Daou. Hommage heißt ein etwas kitschige Stück von Kandias aktuellem Album "Kita Kan". Gewidmet ihrem kürzlich verstorbenen Patron Amary Daou. „Leute aus Bamako", singt sie im Text, „ihr wisst, ein Obdachloser kann leben, eine Person die ihre Mutter verloren hat auch, aber für eine Person, die ihren Patron verliert, wird das Leben unerträglich."

Kandia Kouyate erzählt:
"Ich war damals in Kayes. Als ich einmal in Bamako war kam jemand und sagte mir Amary Daou möchte dich sehen. Wer ist Amary Daou fragte ich: ein großer Geschäftsmann, er will dich treffen. Ich bin hingegangen: er sagte, deine Kassette hat mir sehr gefallen. Ich möchte, dass Du für mich singst. Ich ging mit dem großen Koraspieler Batou Sekou Kouyaté hin. Wir spielten, er gab mir Geld. Danach ging ich 11 Monate nach Paris. Während der 11 Monate, rief er regelmäßig an, dass beweist, dass er mich nicht vergessen hatte, dass ist sehr wichtig für mich. Als ich 1988 zurückkam holte mich Amary Daou am Flughafen ab und schenkte mir einen Peugeot 504 er gab mir den Schlüssel, das war das erste mal, dass ich ein Auto hatte. Er sagte, ich möchte, dass du eine Kassette aufnimmst, mit Boucana Maiga als Produzent. Ich ging nach Abidjan und widmete ihm 2 Lieder auf der Kassette, es war das erste Mal dass jemand zwei Songs auf einem Album einer Person widmete. Das Album war sehr erfolgreich, wir blieben in Kontakt, Amary Daou wurde wie ein Bruder für mich, er kannte meine ganze Familie, .... er ist jemand der mir nicht Milliarden gegeben hatte, aber seine Liebe, der meine Familie mochte, der mir als aller erstes ein Auto gegeben hat und der wie ein wahrer Nobler für Kandia war."
Mindestens so populär wie die Griots sind in Mali die treibenden funkigen Rhythmen der Wassoulou-Region aus dem Süden des Landes. Schon an den Namen kann man die selbstbewussten Sängerinnen, die Anfang der 80er den Preisliedern der Griots ihre Liebeslieder entgegensetzten von den Griots unterscheiden: Statt Kouyate, Koita, Koné, Diabaté oder Sissoko heißen sie Sangaré, Sidibé, Doumbia oder Diakité. Und während bei den Griots Kora und N'goni den Sound bestimmen, ist es bei den Wassoullou- Sängerinnen der ruppige Klang der Kamel n'goni, einer kleinen Art Gitarre, die meist von Jugendlichen gespielt wird und das metallische Schaben des Karignan. Auch bei der Wassouloumusik sind es die Frauen, die im Mittelpunkt stehen.

Oumou Sangare & der Autor beim Frisör
Am Abend ihres Abflugs nach Paris, wo Oumou Sangaré gerade ihr neues Album für World Circuit aufnimmt, ergibt sich noch die Möglichkeit für ein Interview. Treffpunkt ist ihr großes Anwesen in einem Vorort von Bamako, schon von weitem zu erkennen an der riesigen Satellitenschüssel auf dem Dach. Die Zeit ist knapp, so findet das Interview dann letztlich im Friseursalon statt. Oumou leger in Turnschuhen und Latzhose bekleidet.

Oumou Sangaré erzählt:
Ich weiß auch nicht warum der Wassoulou Stil so einflussreich in Mali ist, ich glaube die Frauen aus dieser Region sind sehr stark, sie lassen nicht alles mit sich machen. Sie dominieren die Musik. In ihren Lieder drücken sie all das aus was sie auf dem Herzen haben, egal ob sie Probleme haben oder glücklich sind. Sie wollen sich nicht vor die Männer drängen, aber die Männer hier bei uns in Afrika sind schwierig, sie haben die Macht über alles. Die Frauen aus der Wassoulou Region kämpfen für eine Gleichheit zwischen Frauen und Männern."
Ähnlich wie in der Musik der Griots sind auch die meisten Melodien und Texte der Wassoulou Sängerinnen 1 zu 1 aus der reichen Tradition übernommen, oft ist einzig das Arrangement neu. Eine junge Generation von Musikern geht jetzt einen neuen Weg. Sie halten nichts davon Preislieder auf reiche Geschäftsleute zu singen und ewig die gleichen alten traditionellen Lieder zu wiederholen. Erstmals versuchen sie die vielfältigen Stile ihrer Heimat zu einer eigenen Musik zu fusionieren. Zwei der wichtigsten Musiker dieser neuen Generation sind Habib Koite und Rokia Traoré, die kürzlich in Deutschland auf Tournee war. Rokia Traoré veröffentlichte jetzt kürzlich ihr nunmehr zweites Album Wanita: Was für Europäer rein traditionell klingt, ist für Mali äußerst gewagt.

Habib Koité & seine Band Bamada
Während die großen Stars in Mali meist in Pajero Jeeps oder großen Mercedesen unterwegs sind, kämpfen wir uns in Rokia Traorés zerbeultem blauen Peugeot durch das Verkehrschaos Bamakos. Eher praktisch als repräsentativ ist auch ihr Haus. Wir sitzen auf Klappstühlen im kahlen betonierten Innenhof und Rokia erzählt von sich. Gelebt hat die Diplomatentochter wie es scheint schon überall: Belgien, Algerien, Saudi-Arabien ... zuletzt studierte sie Soziologie in Brüssel. Irgendwann merkte sie, dass sie eigentlich nicht mit ganzem Herzen dabei war, schmiss alles hin und entschloss sich nach Bamako zu gehen um Musik zu machen.

Im Hause Traore: Rokia (links) & Mamou Sidibe

Rokia Traoré erzählt:
Alles was ich wusste, war, dass ich die Musik die ich machen wollte nicht in Europa machen konnte, ich musste zurückgehen um die richtigen Musiker zu finden. Keiner meiner Freunde hatte mir gesagt ich solle doch aufhören mit dem studieren, wenn es nichts für mich wäre, ich habe die Entscheidung alleine treffen. Nichts war sicher, gar nichts als ich nach Bamako zurückging. Ich fing an mir Musiker zu suchen und schrieb mich dann aber doch auch an der Universität ein, für Sprachen, denn ich hatte keine Zusagen von irgendjemand, keine Infrastruktur, es war weit und breit keine Möglichkeit in Sicht ein Album aufzunehmen. Dadurch kam ich an ein Stipendium heran, mit dem konnte ich dann die Proben mit meinen Musikern bezahlen."
Anfangs war es gerade für sie als junge Frau nicht einfach, ihre männlichen Musiker überhaupt dazu zu bewegen, ihre modernen Vorstellungen von Musik mitzumachen: Sie hatte einen Sound im Kopf, der sich nicht an traditionelle Stilgrenzen hielt. Ihre Musiker hielten sie für verrückt als sie das große Balafon aus Kénédougou mit der N'Goni, dem Instrument der Griots verbinden wollte. Den Rhythmus ließ sie dann noch eine Gita, eine umgedrehte halbe Kalebasse, die mit dünnen Eisenstäben gespielt wird schlagen. Neuland für Mali. Wer sie und ihre Musiker einmal bei einer Probe beobachtet hat, merkt schnell was das bedeutet: Arbeit. Zum einen weil die Stimmungen der beiden Instrumente sehr unterschiedlich sind, zum anderen weil Musiker in Mali nicht gewöhnt sind die traditionellen Bahnen zu verlassen.

Rokia Traoré erzählt :
Als ich jetzt nach den Aufnahmen zum neuen Album zurück nach Mali kam, habe ich plötzlich gesehen, dass es unter den jungen Musikern eine Veränderung gibt. Statt Schlagzeug verwenden sie z.B. eine Kalebasse, einfach weil es keine guten Schlagzeuger in Mali gibt (geschweige denn Schlagzeuge). Außerdem nehmen die Sängerinnen aus der Beledougou Region, die mit dem großen Balafon auftreten, genau wie ich jetzt die Kalebasse als Begleitung, dass haben sie vorher nicht gemacht. Auch das Bewusstsein ändert sich. Es gibt jetzt junge Künstler, die sich ihr Renommee über ein Album aufbauen, und nicht mehr über Preislieder und das Geld, dass ihnen jemand für die Lieder gibt, die sie ihm widmen. Die Künstler verlassen sich nicht mehr auf ihr Griot-Erbe sondern kreieren Musik. Oumou Soumaré z.B. die Teil dieser Bewegung ist schreibt ihre Lieder selber benutzt eine Instrumentierung die es vorher noch nicht so gab. Sie hat auf der INA studiert, der Musikhochschule Malis, das war davor selten, da lernten Musiker ihr Handwerk auf traditionellen Hochzeiten."
Neu ist, dass sich jetzt sogar die ersten jungen Griot Sängerinnen auf der INA eingeschrieben haben. Statt sich auf traditionellen Hochzeiten hochzudienen, interessieren sich heute genauso für moderne Atemtechniken, Arrangements und ihre Rechte, - all jene Sachen, die man als professioneller Musiker wissen muss. Die meisten Musiker Malis können weder lesen noch schreiben, selbst Stars wie Amy Koita, Kandia Kouyaté oder Oumou Sangaré sprechen nur gebrochen französisch. Alle drei werden von ihren Ehemännern gemanagt – sie selbst können ihre Verträge nicht lesen. Ein Riesenproblem findet Rokia. "Ein Gitarrist, der hier für jemand einen Song schreibt", erzählt sie, "bekommt vielleicht noch ein paar extra Zigaretten." Als Autor und Komponist trägt sich dann meist der Star der Gruppe ein; manchmal aber auch der Produzent, oder sogar der Manager, der in seinem Leben noch keine Gitarre in der Hand hatte.

Die Gruppe Tatapound in Bamako
In Bamako tritt Toumani jeden Freitag im "Le Hogon" auf, einer kleinen Bar im Zentrum der Stadt. Seine Band Symmetrie fängt so ab 9-10 Uhr abends an zu spielen, er selbst steht allerdings vor Mitternacht nicht auf der Bühne. Seit einiger Zeit unterstützt er jetzt auch eine Rapgruppe aus der Nachbarschaft: Les Escrocs. Sie können in seinem kleinen Studio üben und er hat auf ihrem ersten Album mitgespielt.

Toumani erzählt:
Rap ist das feeling das gerade aus Amerika kommt. Ich rede mit meinen Leuten hier und sage ihnen sie sollen den Rap nicht wie die Amerikaner machen, wir haben unsere eigene Realität hier unsere eigene Geschichte, die Kora, das Balafon die Djembe, bring sie mit dem Rap zusammen und du wirst den Unterschied machen. Sie tun das jetzt und die Leute reden über sie."
5-6 Hip-Hop Kassetten sind in Mali bislang herausgekommen. Produzenten, die Hip-Hop-Beats programmieren können, gibt es nochimmer kaum. Tata Pound eine der weiteren Bands im Land nahmen deshalb ihr Album in Dakar, Westafrikas Hip-Hop Hauptstadt auf. Sie rappen wie die meisten Bands in Bamana und haben eine deutliche Message.

Die Rapper der Band Tatapound bei Radio Kledu
In der Musikbranche ist die Situation nicht anders. Professionelle Musik in Mali zu machen ist zäh. Das Musikbusiness liegt am Boden. So musste die größte Plattenfirma des Landes MaliK7 Anfang des Jahres vorrübergehend schließen. Der Anteil der raubkopierten Kassetten war auf über 90% gestiegen. Wer wie MaliK7 versucht legal zu arbeiten, die Kassetten versteuert, das Studio bezahlen muss, den Künstlern ihre Tantiemen bezahlt, kann mit den Piraten nicht konkurrieren. Nachdem die Künstler selbst Anfang des Jahres auf die Straße gegangen sind um für den Schutz ihrer Urheberrechte zu demonstrieren, hat sich die Lage mittlerweile ein wenig gebessert. Der Chef des Bureau Malien de Droit d'Auteur, der GEMA Malis, wurde wegen Korruption gefeuert und die Kontrollen an der Grenze für die oft nicht oder falschdeklarierten Container mit Kassetten aus Bangkok und Guinea verschärft.

Ein Besuch bei Mali K7 ist erfrischend. Seit mehr als 15 Jahren ist der Chef der Firma Philippe Berthier nun schon im Lande. Phillippe feiert nicht die reine Tradition ab, sondern sucht nach innovativer Musik. Für ihn ist es kein Zufall, dass Hip-Hop in Mali gerade im Kommen ist, in letzter Zeit auch der Geschmack des Publikums geändert.

Original und Fälschung
Öffentliches Rundschreiben der Plattenfirma Mali-K7 an die Presse zum Thema Piraterie
Philippe Berthier erzählt:
Die Leute hier haben angefangen auch auf die Musik selbst zu hören. O-Ton Philippe BerthierFrüher haben sich die Leute nicht für die Musik sondern hauptsächlich für die Texte interessiert. Die Musik der Griots z.B. was ist das? Eine N'goni und jemand der dazu etwas erzählt, gut sie verwenden auch ein Schlagzeug Bass und Keyboard, aber wenn man viel davon gehört hat merkt man, dass das meist immer das Gleiche ist. Die Leute schenken jetzt der Musik mehr Aufmerksamkeit. Wenn sie irgendetwas neues hören, interessiert sie das. Während früher der Klang kaum eine Rolle gespielt hat, geben wir heute Kassetten mit einem schlechten Sound gar nicht mehr raus."
Den Beweis für den Wandel des Hörverhaltens liefert der Erfolg der neusten Erfindung von Mali K7: Mali style. Eine Reihe, die elektronische Beats mit traditioneller Musik verbindet. Entstanden aus einer Spielerei des französischen Toningenieurs Yves Wernert, der gleich ein Haus hinter MaliK7 das Studio Bogolan betreibt. Am Computer hat er an einer Aufnahme der Wassoulou Sängerin Ramata Diakité herumgebastelt. Das Ergebnis "Na" übersetzt "komm her" - schlug in Mali sofort voll ein. Mit"Sya" dem Folgealbum, kam dann das erste Album auf den Markt dass komplett im Techno Mali style produziert ist.
Issa Bagayogo erzählt:
Das Leben ist wie Brücken über die man gehen muß, als ich in die Stadt ging um meine Kassette zu machen und das nicht funktionierte, haben die Leute in meinem Heimatdorf herumerzählt ich würde in der Stadt Drogen nehmen und sei verrückt geworden."
Oktober 1999
Sya - Issa Bagayogo
Issa Bagayogo
Sya
Cobalt/Melodie
Klicken für Sound
Niemand rechnete Issa Bagayogo noch irgendwelche Chancen in der Musik aus. Der große Traum von einer Musikerkarriere in Malis Hauptstadt Bamako platzte entgültig als auch sein zweites Tape sich nur magere 300 Mal verkaufte. Völlig abgebrannt mußte er seine Kamélé n'goni, eine Art traditionelle Gitarre, die meist von Jugendlichen gespielt wird, an den Nagel hängen. Er lebte in der Gosse, seine Frau verliess ihn und seine Familie wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Und wer weiß vielleicht hätte ihn der Moloch Bamako auch aufgerieben, hätte Yves Wernert nicht beim digitalisieren des Archivs von MaliK7 eine seiner alten Aufnahmen gefunden.
Yves Wernert erzählt:
Es hat lange gedauert, bis wir überhaupt entschieden haben das Projekt zu machen, aber seine Stimme ließ mich einfach nicht los und noch länger Issa überhaupt ausfindig zu machen. In der Musikszene war er völlig unbekannt. Alles was wir wußten, ist, dass er mit irgendwelchen dubiosen Leuten zugange war. Moussa unser Studiogitarrist hat ihn dann bei den Minibusfahrern wiedergefunden, keine so gute Gesellschaft hier in Mali, sie trinken Bier, nehmen Drogen ... Das Album hatten wir dann in zwei oder drei Tagen aufgenommen, 10 Songs insgesamt. Es war wie eine Session und ich habe mitgeschnitten. Anschließend habe ich die interessantesten Stellen am Computer zusammenkopiert."
Das Album schlug ein und seitdem ist Techno Issa, wie ihn jetzt alle nennen ein Star in Bamako. Yves ist mittlerweile schon ein zweiter Streich gelungen diesmal in Zusammenarbeit mit der jungen Peul Sängerin Mamou Sidibé. Ihr Album "Nakan" brach in Bamako alle Rekorde 30.000 Kopien verkaufte Mali K7 bislang - aller Piraterie zum trotz. Jetzt ist geplant, dass beide auch in Europa auf Tournee gehen.

Bleibt nur zu hoffen, dass auch die Europäer an den Weiterentwicklungen der Tradition Gefallen finden.

Der Bericht "Mali in Motion" ist im Sommer 2000 im Deutschlandfunk in der Sendereihe "Corso Extra" ausgestrahlt worden.
Deutschlandradio



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