Selbstklinger
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Unter der Vielfalt der Instrumente, die man in Afrika findet, sind die Idiophone am gebräuchlichsten, da sie die einfachsten wie auch die sehr leicht herzustellenden Klangerzeuger umfassen. Ein Idiophon (,Selbstklinger") kann allgemein definiert werden als ein Instrument, auf dem ein Klang produziert werden kann ohne Zuhilfenahme einer gespannten Membrane, einer schwingenden Saite oder eines Rohrs. Volksstämme, die keine Trommel oder andere Instrumente haben, können auf diese Idiophone zurückgreifen, um ihre Gesänge zu begleiten, während diejenigen, die über andere Instrumente verfügen, mit den Idiophonen die rhythmische Grundlage ihrer Musik verstärken mögen.
Natürlich ist deren Gebrauch nicht allein auf musikalische Funktionen beschränkt. Einige werden zur Signalgebung verwendet, um auf etwas aufmerksam zu machen, um Leute zu versammeln oder um eine gewisse Atmosphäre zu schaffen (besonders bei religiösen Riten und Zeremonien). Sie können auch zur Übermittlung verbaler Nachrichten Verwendung finden oder zur Bekräftigung verbaler Kommunikation oder um die Bewegungen bestimmter Personen zu unterstreichen, wie die von Priestern und von Jugendlichen, die sich den Initiationsriten unterziehen, oder um die Bewegungen eines Tänzers oder eines Charakterdarstellers im traditionellen Drama besonders hervorzuheben. Bei einigen Volksstämmen werden entsprechende Idiophone verwendet, um Vögel von den frisch gepflegten Feldern zu verscheuchen, oder um hörbar zu machen, wohin das Vieh und andere Haustiere, die bewacht oder identifiziert werden messen, laufen und wo sie sich befinden (sogar bei zahmen Vögeln wird so verfahren).
Ausgenommen wo Idiophone als Hilfsmittel der Bauern oder der Tiereigentümer Verwendung finden, oder wo sie mehr als symbolische Gegenstände denn als Klangerzeuger behandelt wer den, können sie in einem musikalischen Kontext gleichzeitig kommunikative und dramatisch emphatische Aufgaben erfüllen.
Aus musikalischer Sicht sind unter den Idiophonen zwei Hauptkategorien zu unterscheiden: die hauptsächlich als Rhythmusinstrumente verwendeten und die selbständig als Melodieninstrumente gespielten.

Schüttel-Idiophone
Von den vor allem als Rhythmusinstrumente gebrauchten Idiophonen scheinen die gebräuchlichsten und verbreitetsten die Schüttel-Idiophone oder Rasseln zu sein. Funktionell lassen sie sich in zwei Hauptgruppen teilen: erstens Rasseln, die in der Hand gehalten und gespielt werden, und zweitens Rasseln, die am Körper der Aufführenden befestigt sind und durch deren Bewegungen zum Klingen gebracht werden, oder die an anderen Instrumenten befestigt sind und deren Klang verändern. Eine Rassel der zweiten Art kann in Form von klingelnden Metallringchen oder -Glöckchen an den Handgelenken eines Xylophonspielers oder Sanduhrtrommlers festgebunden sein. In ähnlicher Weise können am Rand einer Trommel oder oben auf dem Fell (vergleichbar einer Schnarrsaite) klingelnde Scheibchen befestigt sein, wie auch eine Zupflaute solche rasselnde Zusätze an der Spitze des Halses haben kann.
Sekere
Kürbis-Rassel mit einem
Netzbehang aus Holzperlen
Zu der ersten Art Rasseln gehört die Vielfalt der Kürbisse, als Rasseln mit Füllung oder als Rasseln mit einem äußeren Netzbehang aus Kaurimuscheln, Seemuscheln, Beinstückchen, Bambus, Metall oder Holz- und Glasperlen. Eine Kürbisrassel kann kugelförmig sein, entweder ohne Handgriff oder mit dem Hals eines Kürbisses oder einer Kalebasse als Handgriff. Sie kommen in verschiedenen Größen vor, die sekere-Rasseln der Yoruba in Nigeria und der Nago von Dahomey sind wohl die größten. Zu den vielfältigen anderen Rasseln mit Füllung gehören Korbrasseln, Tubusrasseln (zu finden vor allem im östlichen Afrika) und Rasseln aus Samenhülsen. Die eine oder andere der letztgenannten kann von einer Schnur oder durch einen Stock, der als Handgriff dient, zusammengehalten werden. Es gibt auch baobab-Samen-Rasseln, verschiedene Metallklingeln, Flaschen-Rasseln, ebenso Stock- oder Stabrasseln, bestehend aus einer Anzahl Kalebassenscheiben, die auf einen Stock gereiht sind.

Das Sistrum, eine Rasselart mit Metallscheiben, die auf feste Stäbe gereiht sind, beansprucht einen sehr bedeutenden Platz im Gottesdienst der äthiopischen Kirche; man kann es auch in verschiedenen Formen in Teilen Westafrikas finden (2.1). Die westafrikanische Art kann in Gestalt und Anordnung der Metallscheiben mit dem Sistrum der Äthiopischen Kirche identisch sein, oder sie kann aus Kalebassenstücken gemacht sein, die auf dem dünneren Teil eines gegabelten Stockes aufgereiht sind und von einer Schnur festgehalten werden, die vom Ende dieses dünneren Teiles zum Griff gespannt ist. Im Kissi-Gebiet Guineas etwa wird diese Art Sistrum noch verziert und in Verbindung mit einigen Ritualen und Zeremonien gebraucht, die den Lebenszyklus betreffen und dabei die zu Tänzen und Prozessionen aufgeführten Gesänge begleiten (2.2).
Sistrum Guinea
Sistrum aus dem Kissi-Gebiet Guineas
Sistrum aus Äthiopien
Sistrum aus Äthiopien


Aufschlag- und Gegenschlagidiophone
Ein anderer Idiophon-Typ, den man überall in Afrika findet, ist das Aufschlag-Idiophon; es hat die Form einer Resonanzplatte aus Stein oder Holz (wie das merewa in Äthiopien (2.3))und wird mit einem kleineren Stück desselben Materials geschlagen; oder es besteht aus mehreren Steingongs, wie im nördlichen Nigeria zu beobachten (2.4), oder aus Steingongs und Steinklappern, wie sie zu religiösem Gebrauch in einigen Yoruba-Kulten gespielt werden(2.5).
Zu dieser Gruppe gehören auch paarige Rundhölzer bzw. Flachhölzer von gleicher Größe, die wie Klappern zusammengeschlagen werden, und ein Schlagbalken, der von mehreren Leuten gleichzeitig mit Stöcken rhythmisch geschlagen wird. Noch eine andere Art gibt es als Eisen- oder Holzglocken mit Klöppel, oder auch klöppellose Eisenglocken, die mit Stöcken, Stäben oder kleinen Tierhörnern geschlagen werden; das können Einzelglocken sein -gewöhnlich in Kegel- oder Schiffchenform oder Doppelglocken. Letztere haben die Form von zwei zusammenmontierten Metallkegeln oder von zwei durch einen Bügel zusammengehaltenen Metallglocken.
Die Größe klöppelloser Einzel- und Doppelglocken variiert. Sehr große verwendet man bei bestimmter ritueller und höfischer Musik: drei werden von der für das Ritual zuständigen Dienerschaft (nsumankwaafos) am Hofe des Asantehene in Ghana gespielt, und vier erklingen im Ensemble, zusammen mit einer Trommel, bei den Bumum Kameruns(2.6).

Fingerglocke
Fingerglocke
Manchmal werden anstelle von Glocken auch die Blätter von Hacken, Tierhörner oder Schildpatts verwendet. Zu dieser Gruppe gehören auch verschiedene Typen glockenähnlicher eisener Kastagnetten, die in Westafrika gespielt werden. Sie bestehen aus zwei Stücken: einem Metallring, der auf den Daumen gesteckt und in derselben Hand gehalten wird wie eine kleine rundliche Glocke, etwa von der Größe einer Zitrone; dieses Teil kann auch die Form einer Glocke haben, die so gefertigt ist, daß sie auf den Mittelfinger gesteckt werden kann.

Ein anderes wichtiges Instrument in der Untergruppe der Aufschlag-Idiophone ist die hölzerne Schlitztrommel. Der ausgehöhlte Holzblock ist an einer Seite aufgeschlitzt mit einem Paar "Lippen" versehen, die mit Schlegeln geschlagen werden können. Dieses "Lippen"-Paar ist so gefertigt, daß es zwei, manchmal vier verschiedene Töne hervorbringt. Diese Instrumente können auch aus Bambus hergestellt und verschieden groß sein. Man findet sie in Westafrika in Guinea, Sierra Leone, Liberia, im östlichen Nigeria und in Kamerun wie auch in Zentralafrika. Sie werden sowohl als Musikinstrumente wie als Sprechinstrumente verwendet; in Zentralafrika beispielsweise fungieren sie bei den Lokele und anderen Volksstämmen als Hauptformen der Sprechtrommeln (2.7).
Eine andere Art von Aufschlagidiophonen bilden die Schlagkürbisse aufgerichtete Kalebassen, die gewöhnlich mit dünnen Stöcken oder in manchen Fällen mit einem Drahtbesen geschlagen werden (2.8). Im Manding-Gebiet (im Savannengürtel Westafrikas) kann diese Kalebasse auch auf ein Polster gestellt sein (2.9). Ihr Klang wird dem einer Felltrommel ähnlich, wenn man sie in eine Wasserschüssel legt. Einen anderen Felltrommelersatz findet man bei den ljaw Nigerias; es sind Tontöpfe verschiedener Größe, die mit Wasser gefüllt und an der Öffnung mit speziellen, fächerähnlichen Schlegeln geschlagen werden.
Es sind auch einige wenige Gegenschlag-Idiophone zu finden. Dazu gehören in Ghana die eisernen Becken am Hofe der Ashanti-Könige und die Gegenschlagidiophone aus zwei kleinen Kürbissen oder Fruchtschalen, die mit Schnüren aneinandergebunden sind. Die letzteren können auch mit Steinchen oder Samenkörnern gefüllt sein und funktionieren so wie Gegenschlag-Rasseln.

Schrapp- und Reibidiophone
Eine andere, bei afrikanischen Völkern gespielte Idiophonart bilden die Schraper:
Schrappidiophon ein Stück gekerbter Bambus oder ein Stück Palmstengel, der mit einem anderen Stock oder, wie in Kamerun zu beobachten, mit einem Messingarmband geschrabt wird, oder ein geriffelter Stock, der durch eine Fruchtschale hindurchgeführt ist und mit ihr geschrabt wird. In diesem Falle ist der Ton zu verändern, indem man ein flaches Stück einer hohlen Fruchtschale an ein Ende des Schrabstockes drückt oder es wegnimmt. Instrumentalklänge erhält man auch, wenn eine Flasche mit dem gezackten Deckel einer Blechbüchse geschrabt wird, oder indem man eine Kalebasse oder einen Kürbis gegen ein Brett reibt, oder dadurch, daß man ein Brett, auf das Holzkohlestückchen gestreut sind, mit Stöcken reibt.


Stampfidiophone
Eine andere Gruppe sind die Stampfidiophone.
Stampfpidiophon Es gibt zwei Haupttypen: Stampfstöcke und Stampfrohre. Stampfstöcke werden gewöhnlich senkrecht auf den Boden gestoßen; der so erzeugte Klang begleitet den Gesang - bei einigen Volksgruppen werden alte Stößel als Stampfstöcke verwendet. Die eine der beiden Formen Stampfrohre besteht aus einem Stück Bambusrohr, das so geschnitten ist, daß es nur ein offenes Ende hat. Zur Klangerzeugung wird das geschlossene Ende leicht schräg auf harten Boden oder besser noch auf eine Steinplatte gestoßen. Die Ga in Ghana verwenden dieses Bambus-Stampfrohr zur Begleitung von Frauenchören; eine passende Steinplatte wird jeweils zum Aufführungsort getragen. Bis zu drei verschieden gestimmte Bambusrohre werden gleichzeitig verwendet, wobei jedes eine andere rhythmische Formel spielt.

Der zweite Stampfrohrtyp ist aus einem länglichen Kürbis oder aus einem Kürbis mit langem, schmalem Hals hergestellt. Die Spitze des Kürbisses ist abgeschnitten, und über dieses offene Ende wird beim Spielen die Hand gewölbt. In den Fuß des Kürbisses ist ebenfalls ein kleines Loch geschnitten, das es dem Spieler ermöglicht, dem Instrument eine Vielfalt von Tönen zu entlocken. Ein Ton wird erzeugt, indem man das untere Ende des Kürbisses gegen den nackten Oberschenkel schlägt; ein anderer, wenn er vom Oberschenkel hochgehoben und mit der gewölbten Hand geschlagen wird; und ein dritter, wenn das birnenförmige Ende durch eine Fallbewegung des Handgelenks gegen den Arm oder Ellenbogen geschlagen wird; oder aber man trommelt mit den Fingern darauf. All diese Klänge werden für die rhythmische Formel zur Gesangsbegleitung benötigt.
Stampfidiophone aus Kürbissen werden in Ghana von den Ashanti-Frauen gespielt, die ein solches Instrument adenkum (2.10) nennen, und in Nigeria von Hausa-Frauen, die es sbantu (2.11) nennen. In Details der Form und Spieltechnik sind diese beiden nicht identisch.


Gestimmte Idiophone
Die bisher erwähnten Idiophone werden als Rhythmusinstrumente gespielt. Obwohl jedes von ihnen eine gewünschte, genaue oder ungefähre Tonhöhe hat, versucht man nicht, sie stufenmäßig abzustimmen, so daß sie als Ersatz für eine Gesangsstimme verwendet werden könnten. Instrumente derselben Familie sind die melodiefähigen, stufenmäßig abgestimmten Idiophone mit den zwei Haupttypen: mbira oder sansa (Hand-Klavier) und das Xylophon.
Viele Arten davon werden verwendet, um Trommelklänge zu simulieren, ebenso um Melodien zu spielen, besonders die große kastenförmige sansa mit drei bis fünf Lamellen, die man in Westafrika zur Gesangsbegleitung braucht. Der Spieler, der mit einer Hand die Lamellen zupft, kann zusätzlich mit der anderen, freien Hand den Resonanzkasten schlagen, um einen Effekt zu erzeugen, der dem eines aus zwei oder drei Trommlern bestehenden, polyrhythmisch spielenden Ensembles ähnlich ist. Desgleichen kann die Kante einer Xylophonplatte mit einem harten Stock (oft das harte Ende eines Xylophonschlegels) geschlagen werden, um einen durchdringenden, perkussiven Klang zu erzeugen, der als rhythmische Begleitung zu der Melodie dient, die mit dem weichen Ende des anderen Schlegels auf dem Xylophon gespielt wird. Diese beiden Gebrauchsweisen zeigen deutlich den wesentlichen Charakter dieser zwei Instrumente. Während es im Grunde melodiefähige Perkussionsinstrumente sind, wird die Intensität ihrer Klänge zur rhythmischen Organisation ihrer Musik genutzt.

Mbira (Sansa, Hand-Klavier)
Die melodisch verwendete Gattung mbira besteht aus einer abgestuften Reihe von hölzernen oder metallenen Lamellen (Zungen), die auf einer flachen Resonanzdecke angeordnet und auf einen Resonator einen Kasten, einen Kürbis oder sogar eine Blechbüchse montiert sind. Die hölzernen Lamellen werden aus Streifen der Rinde der Rafia-Palme oder des Rattan-Rohrs hergestellt, während die Metallzungen aus Eisen oder in ein' en seltenen Fällen aus Messing gemacht sind (2.12). Auf dem mitschwingenden Brett oder am Resonator können rasselnde Zusätze Metallstückchen, Ketten oder Schneckenhäuser befestigt sein, um das Geräuschhafte im Verhältnis zum Tonhaften zu verstärken; ein ähnlicher Effekt wird dadurch erzielt, daß man kleine Leichtmetallstreifen locker um das untere Ende jeder Lamelle wickelt.

Die Mbira
Mbira (Sansa)
mit Kastenresonator
Eine mbira kann ein bis drei Manuale haben, und eine einmanualige mbira kann zwischen fünf und zwanzig Lamellen besitzen, wobei Manuale von acht bis zwölf Zungen am gebräuchlichsten sind. Große mbiras von vierunddreißig bis fünfundvierzig Lamellen begegnen bei den Gogo Tansanias, obwohl einige der Zungen, besonders die der mittleren Reihe, aufmontiert zu sein scheinen, um das Klangvolumen durch sympathetische Vibration zu vergrößern. Die komplexesten bzw. am höchsten entwickelten mbira-Typen sind in Rhodesien und den benachbarten Gebieten zu finden; dort werden mbiras mit mehr als einem Manual gespielt. Die zweimanualige mbira der Shona-Karanga (die njari) zum Beispiel hat dreiundzwanzig bis neunundzwanzig Lamellen, die der Nyanja siebenundzwanzig (2.13).

Die Stimmung der mbiras ist keineswegs einheitlich. Jedes Volk stimmt seine Instrumente nach den Skalen, die seine Musiker allgemein im Gebrauch haben. Messungen, die Hugh Tracey in breiter Vielfalt gemacht hat, zeigen, daß die Stimmungen generell pentatonisch (fünftönig), hexatonisch (sechstönig) oder heptatonisch (siebentönig) sind (2.14); die tatsächlichen Intervalle aber zeigen dabei ein weitaus komplexeres Bild.
Darüber hinaus ist bei der tatsächlichen Stimmung dieser Instrumente nicht immer nur der Grundton wesentlich, sondern manchmal ebenso die Obertöne mit anderen Worten, der ganze Tonkomplex ist von Bedeutung. Das hat Auswirkungen auf die Akkordvorstellungen und Akkordfolgen, die man in der mbira-Musik verwendet, da zwei gleichzeitig gespielte Töne nicht nur zwei Tonhöhen darstellen, sondern einen harmonischen Komplex (2.15).
Die Anordnung der Lamellen richtet sich nach der Zweiteilung des Griffbretts; Trennlinie ist der tiefste Ton. Der linke Teil wird mit der linken Hand gespielt, mit dem Daumen allein oder mit dem Zeigefinger, während der rechte Teil mit der rechten Hand gespielt wird, gleichfalls nur mit dem Daumen oder mit dem Zeigefinger. Die reihenmäßige Anordnung der Lamellen und entsprechend der Tonhöhen in jedem Teil ist keineswegs einheitlich in Afrika. In manchen Fällen bedeuten benachbarte Lamellen nicht auch benachbarte Töne in der Skala: ein Schritt kann ausgelassen sein. In einer heptatonischen Stimmung zum Beispiel würde dann jede Reihe in aufsteigenden Terzen fortschreiten, mit der jeweils höchsten Lamelle am äußeren Rand des Griffbretts. Angenommen, die tiefste Lamelle, z.B. mit dem Ton C liegt in der Mitte, so kann die Reihe nach links in einer Folge aufsteigender Terzen angeordnet sein, also E G B D', während die nach rechts die Anordnung D F A C' E' hätte.
Andererseits läßt man sich bei den komplexen mbiras in Rhodesien und den benachbarten Gebieten bei der formalen Anlage von der hierarchischen Funktion der Tonhöhen in den melodischen und harmonischen Konfigurationen leiten. Töne mit Grundtonfunktion, wie etwa Baßtöne, sind getrennt von den Melodietönen des mittleren Bereichs und von den Höchsttönen, die einige von diesen verdoppeln; so können bei einigen dieser mbiras verdoppelte Töne auf beiden Seiten des Griffbretts liegen. Ferner können im tieferen Manual die Oktavtöne direkt über den Grundtönen angeordnet sein, und in jedem Abschnitt sind dann nebeneinanderliegende Lamellen grundsätzlich auch nebeneinanderliegende Skalentöne (2.16). All dies weist auf den hohen Grad rnusikaiischer Meisterschaft hin, den die mbira-Musik dem Spieler abverlangt. Eine einfach aussehende mbira kann nach ihren technischen Anforderungen ein sehr hoch entwickeltes Instrument sein.
Die mbira wird zum privaten Vergnügen oder zur Erholung gespielt; es gibt aber auch Arten wie die mbira dza Vadzimu, die auch zu anderen Gelegenheiten, bei Ritualen des Ahnenkults, gespielt wird.

Xylophone
Ein anderes bedeutendes melodiefähiges Idiophon, das man bei vielen afrikanischen Völkern spielt, ist das Xylophon; es erscheint in drei Formen. Beim ersten Typ ist die abgestufte Reihe hölzerner Platten oder Stäbe über einem Resonanzkörper montiert: das kann sein eine Grube, ein Kasten oder Trog oder ein Tontopf. Grubenxylophone sind hier und da in Westafrika zu finden (in Guinea, Nigeria und im Tschad), in der Zentralafrikanischen Republik (bei den Azande und Kala) und in Kenia (bei den Kusu). Kastenxylophone werden von den Zaramo in Tansania gespielt, während man über Töpfe gebundene Xylophonstäbe im Land der Ibo in Nigeria antrifft. Beim zweiten Xylophontyp werden die Stäbe über zwei Bananenstämme gelegt und von Zapfen, die man zwischen die Stäbe in den Stamm gesteckt hat, in dieser Lage gehalten. Diese Bauart ist in Westafrika gebräuchlich (z.B.im Gebiet der Kissi in Guinea und an der Elfenbeinküste), ebenso in Zentral- und Ostafrika (z.B. in Zaire, Uganda, Tansania und Mozambique).
Der dritte Typ hat über einen hölzernen Rahmen montierte Stäbe, an dem unten Kürbisresonatoren hängen, deren Größe den Tonhöhen der Holzstäbe entsprechend abgestuft ist. Dieser Typ ist in Westafrika wie in Zentral- und Ostafrika weit verbreitet -von Zaire bis Mozambique, und weiter südlich im Vendaland.

Xylophon Ein Rahmenxylophon
mit vierzehn Platten;
bemerkenswert
die in der Größe
abgestuften
Kürbisresonatoren

Die Anzahl der für den Bau afrikanischer Xylophone verwendeten Stäbe ist unterschiedlich. Manche Xylophone haben einen engen Umfang von einem bis vier Stäben, so etwa die der Ibo Nigerias, der Bariba Dahomeys, der Kabere Togos, der Baule an der Elfenbeinküste, der Nsenga und Valley Tonga Sambias. Xylo-phone mit zehn bis zweiundzwanzig Platten sind verbreiteter, sie werden gespielt von den Ganda Ungandas (das akadinda mit zweiundzwanzig Stäben), von den Chokwe in Angola (siebzehnStäbe), den Pende Zaires (siebzehn Stäbe), den Chopi Mozambiques (zehn, zwölf, sechzehn und neunzehn Stäbe), den Venda Südafrikas (zwanzig Stäbe), den Lobi-Dagarti und Sisala von Ghana (vierzehn, siebzehn und zweiundzwanzig Stäbe), denBambara von Mali (sechzehn Stäbe) und von den Sara des Tschad (vierzehn Stäbe), um nur ein paar zu nennen.
Xylophone sind gewöhnlich fortschreitend von den tiefen zuden hohen Tönen gestimmt (bzw. von den großen zu den kleinenStäben); das aber ist keinesfalls immer der Fall. Bei einigen Volksstämmen Kameruns können sie auch paarweise in Oktaven gestimmt sein; das heißt ein Stab und seine nächst höhere Oktave liegen nebeneinander, wobei man zwischen diesem und dem nächsten Paar einen kleinen Abstand läßt.
Bei einigen Völkern, darunter die im nordwestlichen Ghana,werden kleine und große Xylophone bisweilen voneinander getrennt, da ihre Skalen auf verschiedenen Tonhöhen beginnen und daher nicht zusammen gespielt werden können. Bei anderen Völkern tritt diese Differenzierung der musikalischen Funktionen innerhalb eines Ensembles auf. Bei den Chopi etwa gibt es Diskantxylophone mit sechzehn Platten, Altxylophone mit neunzehn Platten (also mit drei zusätzlichen tieferen Platten), Tenorxylophone von zwölf Platten (mit zwei tieferen Platten als das Altxylophon), Baßxylophone mit zehn Platten (zwei davon sind tiefer als die des Tenorxylophons) und ein Kontrabaßxylophon mit vier Platten (es beginnt zwei Stufen unter dem Baßxylophon) (2.17).
Eine ähnliche Aufteilung kennen andere Xylophon-Kulturen mit drei oder vier Instrumenten; der Umfang der Instrumente, die begleitende Töne oder Ostinati spielen, kann dann aber generell auf die von ihnen zu spielenden Grundtöne reduziert sein.Dieses Schema wird auch angewandt, wo Xylophone mit dem engen Ambitus von nur zwei oder drei Platten in Ensembles gespielt werden: die Instrumente sind so gestimmt, daß sie im Zusammenspiel sowohl Melodietöne wie auch Töne der Begleitfiguren übernehmen können.
Wie schon bei der mbira und natürlich auch bei anderen Melodieinstrumenten kann das Tonsystem der Xylophone pentatonisch, hexatonisch oder heptatonisch sein. Sowohl äquidistante als auch impardistante Stimmungen werden benutzt, obwohl dieTendenz zu annähernd äquidistanter Stimmung offenkundig weitverbreitet ist (2.18). Äquidistanz in diesem Zusammenhang bedeutet nicht, daß die Intervalle absolut gleich sind; man wird zwischen ihnen Ungleichheiten feststellen, teils weil die Intervalle nicht exakt gemessen werden, teils weil man allgemein auf eine ungefähre Stimmung innerhalb der Skalen-Formen abzielt, und eben nicht auf absolut "richtige" Tonhöhen. Eine äquidistante Stimmung in afrikanischem Sinne ist ein Tonsystem, das nicht auf einer Vorstellung von kleinen und großen Intervallen beruht, sondern deren Intervalle man als einander ähnlich gelten läßt. Wenn eine Platte mit diesen Stufensystem nicht übereinstimmt, aber dennoch als einigermaßen tolerierbar am Instrument verbleibt, wird sie als "falscher" Ton bezeichnet.
Bei den Lobi Ghanas gibt es eine andere Art "falscher" Ton. Er kommt bei einem bestimmten, in einer tetratonischen Skala gestimmten Xylophon vor, und er liegt immer nach jeweils vier Platten vom tiefsten Ton aus gezählt. Wenn die "falschen" Platten gespielt werden, verwandeln sie die tetratonische Skala in eine pentatonische; aber da man nicht erwartet, daß sie gespielt werden, beschreibt man sie als Platten, die zu meiden sind. "Falsche" Platten werden nur mit der Absicht eingebaut, die Standardzahl der Platten zu gewährleisten und um die motorische Bewegung zu erleichtern, die die Gestaltung der melodischen Phrasen beherrscht.
Der Gebrauch einer annähernd äquidistanten Stimmung erleichtert das Transponieren. In den Xylophon-Kulturen Ghanas beispielsweise kann die eine Melodie höher oder tiefer transponiert werden, um sie der Stimmlage der Sänger anzupassen oder um der Notwendigkeit, die Stimmung des Instrumentes zu ändern, aus dem Wege zu gehen. Ein solches standardisiertes Tonsystem erleichtert auch die Verwendung von Polyphonie, da eine Anzahl melodischer Fragmente gegeneinander gespielt werden kann.
Außer Unterschieden in der Stimmung sind auch Qualitätsunterschiede zwischen den verschiedenen Arten afrikanischer Xylophone bemerkbar. Vieles hängt vom Resonanzvermögen des Holzes ab, ebensoviel von der Wahl des Resonators: Balken- oder Schenkelxylophone zum Beispiel haben nicht denselben Klang wie Rahmenxylophone. In gleicher Weise kann man unter den Rahmenxylophonen merkliche Klangunterschiede feststellen zwischen Xylophonen, deren Kürbisresonatoren mit Summern versehen sind (das sind Membranen aus Spinnweben, die ein summendes Geräusch erzeugen), und solchen, die diese Vorrichtung nicht haben.
Xylophone können als Soloinstrumente oder in kleinen Ensembles von zwei, drei oder vier Instrumenten gespielt werden. Große Ensembles, die zehn oder fünfzehn, sogar bis zu dreißig Xylophone umfassen, sind im östlichen Afrika zu finden, besonders bei den Chopi, die für ihre hochentwickelte Xylophonmusik bekannt sind. In einigen Traditionen wie z.B. in Uganda können mehrere Musiker an einem einzigen Instrument spielen. Drei Musiker sind es beim amadinda, gar sechs beim akadinda. Bei der amadinda-Spielart sitzen zwei Musiker nebeneinander, während der dritte ihnen gegenüber sitzt; beim akadinda sitzen drei Spieler nebeneinander und drei ihnen gegenüber. Jeder Musiker hat seinen eigenen Spielbereich (das heißt eine nur für ihn bestimmteAnzahl von Platten), und er hat ebenso seinen eigenen Part zuspielen.
Xylophone werden für sich oder in Kombination mit anderenInstrumenten gespielt. Sie können von einer Rhythmus-Sektion begleitet werden, bestehend aus Trommeln und Rasseln, oder aus Trommeln, Glocken und Kastagnetten oder Schlagstäben, odersie können mit anderen Melodieinstrumenten kombiniert sein. Schallaufnahmen zeigen Kombinationen von Xylophon und mbira, ebenso von Xylophonen und Harfenlauten; gebräuchlich sindauch Verbindungen von Xylophon und Gesangsstimme, solistischoder chorisch.
In Gebieten, wo Xylophone die Hauptinstrumente sind, können sie zu einer Vielzahl ritueller Anlässe und ebenso zur Erholung gespielt werden. Bei einigen Volksgruppen, etwa im nordwestlichen Ghana werden sie auch für bestimmte Bekanntmachungen verwendet, besonders bei Begräbnissen, wobei sie außerdem nur für diesen Anlaß bestimmte Stücke spielen. Die Melodie würde in diesem Falle anzeigen, ob ein Mann, eine Frau, eine alte Person oder ein Kind gestorben ist.


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