MASA 1999
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MASA 99
AFRICAN MARKET
OF PERFORMING ARTS

20. - 27. Februar 1999
Abidjan - Cote d`Ivoire

Stimmungen von Jay Rutledge
Fotos: KS
MASA 99
Das komplette Programm.
Marquis du Marchet, ein kleiner Imbiß im Zentrum Abidjans. Hier kosten Spaghetti mit gebratenen Tomaten und ein paar Stückchen sehnigem Fleisch 300 CFA - nicht ganz eine Mark. Die Marktfrauen feilschen und einige Händler bemühen sich, einem Touristen, Masa99 - Strassenszene in Abidjander sich aus Versehen ins Gedränge des Marktes verirrt hat, Souvenirs anzudrehen. Leise dröhnt die Musik aus dem MASA Village, einem abgezäunten Areal, in dem für die Messebesucher Essen angeboten wird, zu uns herüber. Thiambel Guimbayara deutet aufs Essen „ist doch okay, oder?" Seine Radiostation in Mali kann ihm nur 1500 CFA am Tag Spesen bezahlen. Aber im MASA Village kostet schon das billigste Gericht das Doppelte. Ich bezahle für uns beide mit einem 1000 CFA Schein und der Besitzer schickt einen kleinen Jungen zum Wechseln.
Ein paar Stunden später landen wir im Hotel d'Ivoire, mitten im Nobelstadtteil Cocody wo jeden Abend die offiziellen Konzerte der MASA präsentiert werden. Hier fand auch die pompöse Eröffnung statt. Rote Teppiche waren ausgerollt und die Nationalgarde stand Spalier als die Kulturminister Benins, Burkina Fasos, Senegals und der Cote d'Ivoire in schwarzen Limousinen vorfuhren. Der Präsident der Elfenbeinküste Henri Konan Bédié persönlich eröffnete die Messe im Palais des Congrès, dem repräsentativen Saal des Hotels.






Thiambel sitzt neben mir hält sein Mikrofon in der Hand und hat sich einen zerbeulten Kopfhörer mit dem Aufdruck der Fluggesellschaft Corsair aufgesetzt. Irgendjemand muß ihn mal von einem Flug mitgenommen haben, um ihn zuhause in Mali zu verkaufen. Das muß aber schon eine Weile her sein.
Draußen vor dem Saal treffen wir Soro Solo, einen der bekanntesten Radiomoderatoren der Elfenbeinküste. Soro ist in Abidjan sowas wie eine Institution.
Jeden Morgen von 6 bis 9 Uhr früh moderiert er seine Sendung 'le Grognon' übersetzt: "Der Meckerer". Und zu meckern haben die Leute an der Elfenbeinküste genug. Korruption, Arbeitslosigkeit und stetig steigende Lebenshaltungskosten machen das Leben immer schwieriger in Abidjan.
Grosse Bühne im Hotel Cote d`Ivoire
Grosse Bühne im Hotel Cote d`Ivoire
Auch Soro ist nicht besonders zufrieden mit dem Ort der Messe. „Die Leute aus der Stadt können sich nicht mal die Busfahrt hierher nach Cocody leisten - geschweige denn ein Getränk.". Er hätte die MASA lieber in Treichville gesehen, der populären Wohngegend Abidjans aus der auch die meisten Musiker der Stadt wie z.B. Alpha Blondy, Ismael Isaacs oder Luckson Padaud kommen.

Thiambel, der Journalist aus Mali, hat mit halbem Ohr zugehört und nickt ihm bestätigend zu. Besonders wichtig ist Soro aber das „die afrikanischen Künstler nicht nur versuchen die europäische Presse zu treffen, sondern auch die Afrikanische." Auch Thiambel klagt, daß ihm an den Messeständen der Plattenfirmen kaum Promotionmaterial gegeben wird. Als europäischer Journalist hingegen wird man hofiert, weil die Hoffnungen im Westen entdeckt zu werden groß sind.

Der Taxifahrer flucht. „Die Elfenbeinküste bringt mich noch um". Wir befinden uns auf dem Weg nach Marcory, einer einfachen Wohngegend Abidjans. Eine der vielen Polizeikontrollen am Rand der Straße hat sein orangfarbenes Taxi angehalten. Erst gegen Bezahlung von 1000 CFA bekommt er vom vielleicht 25 jährigen Polizisten seine Papiere zurück. "Zuviele Abgase meint hat er gesagt, das ist doch ein Witz, Merde!" Das Auto hat sein älterer Bruder aus Deutschland geschickt.





Es ist schon das Fünfte, das er innerhalb von drei Jahren gekauft hat. „Jetzt ist er der Boss hier" der Taxifahrer grinst; natürlich will er auch ins Land wo Milch und Honig fließt. Geld hat er noch keins - aber sein Bruder hat ihm versprochen ihn zu holen. Meine Erzählungen vom Leben der Afrikaner in Deutschland, den Schwierigkeiten mit Visum, Ausweisungen und Jobs tut er ab: „schlimmer als hier in Abidjan kanns ja wohl nicht sein" - und damit hat er wahrscheinlich recht.

Marcory, Place Vatican hier steht eine der Bühnen die die MASA Leitung in die Wohnviertel gelegt hat um die Stadt in die Veranstaltung mit einzubeziehen. Es ist 18:00 das Konzert sollte eigentlich schon anfangen. Noch dröhnt ein Tape von Youssou N'Dour aus den Lautsprechern. Der Platz ist komplett abgesperrt, Trauben von Leuten blockieren die Straße weil sie versuchen einen Platz am Geländer zu bekommen von wo aus sie etwas sehen können ohne Eintritt zu bezahlen. Zwei Stunden später fängt das Konzert dann an. Die tausend Leute die sich an den Gittern drängen haben mittlerweile den Verkehr im Umkreis des Platzes vollständig zum Erliegen gebracht. Eine nichtangekündigte Reggaeband beginnt zu spielen und auch die zweite Band ist nicht im Programm zu finden.




Wir, drei Journalisten aus Deutschland, die mit den beiden uns begleitenden Musiker aus Abidjan eingelassen werden, stehen etwas irritiert und isoliert auf dem leeren Platz, der für die akkredierten Messebesucher gesperrt wurde und beschließen nach einer halben Stunde, zu gehen. Wie wir am nächsten Tag erfahren tauchte eine der Bands Stunden später doch noch auf. Man hatte vergessen, sie vom Hotel abzuholen...
Warum klappt so vieles nicht? Bei einem Bier (für 1500 CFA = rund 5 DM) im kühlen Hotel d'Ivoire komme ich mit dem Franzosen Christian Mousset ins Gespräch, der im Auftrag der MASA zusammen mit vier Afrikanern für die Auswahl der Bands auf der diesjährigen MASA zuständig war und in Frankreich ein Festival und ein Label leitet.
Anne-Marie N`zié
Eines der Highlights des Festivals: Anne-Marie N´zié (Kamerun)
Er macht einen gestressten Eindruck. Gerade hat er mit seiner Künstlerin Anne Marie N'Zié gesprochen, die Anfang des Jahres eine Platte bei ihm veröffentlicht hat. Fünf Stunden hat die 66 Jährige auf ihren Soundcheck gewartet und im vollklimatisierten Palais du Congres gefroren. Zu Essen oder Trinken gab es nichts, eine Entschuldigung auch nicht -



„leider kein Einzelfall" meint er. „Das ist ein großes Problem. Nicht nur auf der MASA, in ganz Afrika werden Künstler sehr schlecht behandelt; außer natürlich sie sind Stars und füllen die Taschen der Produzenten". „Die Organisation der MASA" meint er, „sei einfach nicht professionell". Kompetente Leute gäbe es genug in Afrika aber hier hätten zuviele Bürokraten das sagen.

Mir kommt die Bemerkung wieder in den Sinn, die uns Soro Solo nach den ersten paar Konzerten zugeworfen hat: „Naja da haben wohl mal wieder ein paar Freunde des Präsidenten den Auftrag bekommen." Leider untergräbt man aber damit auch den im Grunde sehr guten Ruf der MASA im Ausland. Den wirklichen Talenten werden die Möglichkeiten geraubt, Kontakte mit dem finanzstarken Europa aufzubauen. Dieser Weg scheint im Moment die einzige Möglichkeit für Künstler sich Arbeitsbedingungen zu schaffen, in denen sie ihre Musik entwickeln können. Europäische Standards seien in Afrika nicht gültig, erklärt Michel Jabre von Showbiz, dem größten legalen Musikvertrieb der Elfenbeinküste resigniert: „Radio und Fernsehen quellen zwar über mit Musik, aber Geld sehen die Künstler dafür keines". Nichtmal offizielle Verkaufszahlen gäbe es. Er schätzt das seine Firma Showbiz ungefähr 65% des legalen Marktes repräsentiert. Das wären gut drei Millionen Kassetten im Jahr. Aber die eigentlichen Gewinne machen andere mit Raubkopien. 15 Millionen Kassetten wandern an der Elfenbeinküste schwarz über die Tresen der unzähligen kleinen Kassettenläden im Land. „Manchmal" meint er „konfiszieren wir mit Hilfe des Copyright Büros oder der Polizei einige von diesen Kassetten, aber im großen Stil können wir nicht dagegen vorgehen, weil irgend jemand mit viel Geld und Beziehungen dahintersteckt."

Parallel zu den offiziellen Konzerten veranstaltete Michel Jabre einen Showbiz Tag im MASA Village. 5000 Karten zum moderaten Preis von 200 CFA verkaufte die Stadt in dieser Nacht, das Areal war voll.Volles Haus in der Masa Village Die Stimmung war ausgelassen und die Soundqualität hervorragend. Geboten wurde alles was in der Elfenbeinküste so tagtäglich aus den Lautsprechern der kleinen Bars und Marquis schallt: Mapouka mit den dazugehörigen unzweideutig erotischen Tanzbewegungen, Zouglu die Musik der Studenten, die in ihren Songs kein Blatt vor den Mund nehmen und einige Kostproben der sehr vitalen Rapszene der Stadt. Die Abschluß und Höhepunkt des Abends bildete der überragende Auftritt des Reggaeprinzen Abidjans Ismael Isaacs. Der Tag bot eine hervorragende Ergänzung zum eher traditionell ausgerichteten Programm der MASA. Einzig dem Direktor der MASA, Manou Yablaih, missfiel die überaus professionell durchgeführte und gelungene Veranstaltung. Glücklicherweise mußte er aufgrund der persönlichen Anwesenheit des Kulturministers der Elfenbeinküste, der sich im übrigen prächtig amüsierte, seinen Ton mäßigen.

Youpougon eines der populären Wohnviertel Abidjans. Im Taxi fahren wir die Amüsiermeile der Stadt entlang Rue du Princess wird sie im Volksmund genannt. „Samstagabend ist hier soviel los" erzählt der Taxifahrer, „das man nur noch mit Schrittgeschwindigkeit durchfahren kann - wenn überhaupt." Kneipe reiht sich hier an Kneipe. Entscheidend ist wie es scheint einzig die Lautstärke der bis zum Anschlag aufgedrehten Boxen die vor jeder dieser Bars stehen. Nach ein paar hundert Metern bei offenem Fenster hat man einen guten Überblick über die Musikstile gewonnen die gerade in der Stadt populär sind. Ein zwei Kilometer weiter erreichen wir einen großen Parkplatz, daneben ein von einer Mauer umzäuntes Areal. „Voila, Bar Eclat" meint der Taxifahrer. Wir haben Glück und geraten zufällig in das Konzert eines der bekanntesten Musiker Abidjans, dem James Brown der Elfenbeinküste Luckson Padaud. Die Soundqualität der Musik die uns aus der völlig überlasteten Musikanlage entgegendröht ist miserabel. Die Stimmung dafür unglaublich. Luckson Padaud
Ekstatisch: Djembé-Spieler
bei Luckson Padaud

Luckson Padaud
Gut gelaunt: Luckson Padaud
Die ekstatische Intensität von Luckson 'James Brown' Padaud und seinen zwei Tänzerinnen suchte man in den offiziellen Konzerten im Palais des Congrès vergeblich. Aber das heißt nicht, daß es auf der MASA nichts zu entdecken gab. Eine Gruppe die selbst alte Hasen wie Soro Solo begeisterte, war das Patengue Orchester aus Kamerun eine schräge äußerst kraftvolle Mischung aus Patengue dem populären Tanzrhythmus Kameruns, verzerrten Elektrogitarren und traditionellen polyphonen Pygmäen - Gesängen. „Die Pygmäen waren bei uns zuhause lange Zeit eine wenig respektierte Minderheit", erklärt Dokteur Jockey der künstlerische Leiter der Band, „aber mit dem Erfolg unserer Musik, ist ihr Ansehen enorm gestiegen." Die Zusammenarbeit hat sich nicht nur musikalisch gelohnt; denn mittlerweile hat sich das Patengue Orchester zu einem Sprachrohr entwickelt. In ihren Liedern protestieren die Pygmäen gegen die rapide Abholzung ihres Lebensraumes des Regenwaldes. Ob sie damit die Regierung in Kamerun beindrucken werden ist zu bezweifeln; schließlich geht es auch hier um riesige Profite.

„1000 CFA kostet ein Liter Speiseöl" erklärt Manager Dieudonné, dem 74 jährigen, interessiert zuhörenden Wendo Kalosoy. Zu Hause nennen sie den alten Mann Papa Wendo. Wendo ist eine Legende, einer der großen Stars Afrikas. Als erster Afrikaner Leopoldvilles (heute Kinshasa) besaß er schon vor knapp 50 Jahren ein Auto.
Wendo Kolosoy
Die Legende aus Kinshasa: Wendo Kolosoy
Ähnlich wie die in Europa heute so gefeierten alten kubanischen Musiker, die noch vor 5 Jahren wie Ibrahim Ferrer ihr Geld mit Schuheputzen verdienten, geriet auch er sehr bald in Vergessenheit. Um so bewegender war sein erster internationaler Auftritt seit vierzig Jahren im Hotel d'Ivoire am Vorabend. Im Bus hat sich mittlerweile unter den Musikern eine angeregte Diskussion über die teueren Preise in Abidjan entfacht. Der Gitarrist lehnt sich aus dem Fenster eine der Frauen, die für die Stadt die Straße fegt nach ihrem Gehalt: „1500 CFA (5 DM) am Tag verdient sie" verkündet er.
Wir warten darauf, daß der Bus uns für das Interview ins Hotel fährt, aber der Busfahrer ist wiedermal verschollen. Es ist heiß. Wendo ist sauer. Eine Stunde später kommt endlich jemand und verkündet daß das Benzin alle sei. Nach weiteren 30 Minuten taucht die Person auf, die für das Benzingeld zuständig ist. Getankt werden nur knapp 10 Liter. Sogar die Autos leben hier von der Hand in den Mund.


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